Die Bordwespe
Wie das auf einem Modellschiff so mit der tierischen oder menschlichen Ausstattung ist - einer hat einen Bordhund auf dem Schiff - ich hatte mal eine Wespe an Bord. (Eine Wespe - lebendig, gelbschwarz gestreift mit vier Flügeln auf dem Schiff, nicht was manch geneigte Leser denken mag).
Also: An einem schönen Sonntag im Mai 1993 war ich mit meiner Schebecke Rebekka am Baggersee in Wendlingen, dort wo in jenem Jahr dann noch die Weltmeisterschaften für Schiffsmodelle stattfanden. Der Tag war so ein richtiger Sonntag; schönes Wetter, die Sonne schien von einem fast wolkenlosen Himmel, kaum Wind, also so richtig schönes Sonntagssegeln war angesagt.
Auch ein paar Schifflesfahrer und auch einige Zuschauer waren am See. (Alles Zeugen für meine Geschichte!) Und alle - ich will ja nicht sagen langweilten sich - denn ein ecoboatfreak hat es schon nach vielleicht 3 Schritt Wasserfahrt aufgesteckt und blieb halb versenkt liegen. Dies ist wohl auch nicht gerade neu oder besonders aufregend, außer daß der genervte Steuermann beinahe ins Wasser fiel, als er weit vornüber geneigt mit seiner Fernsteuerungsantenne das Boot fischen wollte.
Derweil fuhr ich mit meiner Schebecke immer schön langsam um das Bojendreieck herum. Außen! dazwischen traue ich mich so recht, denn ich bin schon mal mit meiner Unterwassergenua bei so wenig Wind dran hängengeblieben.
Ja, und wie dann mein stolzer Segler wieder mal am Steg gemächlich vorbeizog, da sah ich ganz vorne auf dem Bugspriet etwas Neues am Schiff!. Schnell oder so schnell wie möglich fuhr ich ganz dicht am Steg vorbei um zu sehen was das auf dem Top des Bugspriets wohl war. Ich sah ganz genau hin, und zu meiner großen Verblüffung hatte sich doch da tatsächlich eine Wespe zur sonntäglichen Siesta mit Schiffsrundfahrt niedergelassen.
Einem der aufmerksameren Zuschauern fiel das genauso auf und er fragte mich was die Wespe wohl auf meinem Segler solle. Nach reiflichem Überlegen meinte ich dazu nur, daß sie vielleicht eben kostenloses Schifflesfahren genießen wolle, und das Wetter dazu würde doch auch stimmen. Der ganze Steg blickte mich vorwurfsvoll mißbilligend und ungläubig an, ganz besonders der neugierige Frager. Dieser meinte ich solle noch mal ganz dicht vorbeifahren, denn das mit meiner Bordwespe, das würde er mir so nicht abnehmen.
Mit ein paar gekonnten Kreuzschlägen einschließlich eines ungewollten Umweges, einer Patenthalse und unauffälligem Einsatzes der Unterwassergenua bekam ich meine Rebekka ganz dich an den Steg heran. Ich wiederholte, meiner Bordwespe solle man ihr Sonntag-Nachmittags-Schläfchen gönnen, aber der Neugierige wollte es einfach nicht hinnehmen.
Mutig wie er war, kniete er sich auf dem Steg nieder, und weit nach vorne gebeugt stocherte er die Wespe mit seinem rechten Zeigefinger an. Und siehe da - meine Bordwespe aus ihrer Siesta aufgestöbert - stieg wütend brummend senkrecht hoch, orientierte sich endlich ausgeschlafen erst mal hin und her, und schwirrte dann wütend, nach einem schwungvollen Anlaufbogen um das Schiff herum, dem verdutzt dreinschauenden Störer dreimal (3 X) dicht um den Kopf herum, um danach, vermutlich zu einer besseren Einsicht gekommen oder vielleicht des Brummens müde, dem langsam davon schwimmenden Schiff hinterherzufliegen.
Sie ließ sich richtig graziös (oder bloß erschlafft von der Aufregung) auf ihrem angestammten Platz ganz vorne auf dem Bugspriet wieder nieder, wobei sie, soweit ich es noch erkennen konnte, sich noch die Flügel sorgfältig zurechtlegte, um dann eben in aller Ruhe die nächsten Runden an der Sonne zu genießen.
Der gute Mann am Steg, mit den großen Augen vergaß derweil den Mund zuzumachen und sagte so auch nichts weiteres mehr. Ein ganz fixer Regattaerfahrener überlegte laut ob das wohl ein neues F7-Progamm geben könne oder solle.
Dagegen ein anderer dazu fügend, dies komme auch nicht jeden Tag vor, worauf ich meinte es sei ja auch nicht jeden Tat Sonntag. Die anderen Bemerkungen weiß ich nicht mehr und allzuviel Seglerlatein tut auch nicht gut. Einer tat noch einen ganz großen Schluck aus der Bierflasche, worauf er sich fürchterlich verschluckte. (Wohl eine vermeintliche Wespe im Hals).
Als ich dann mit meiner Rebekka wieder am Steg vorbeisegelte, kam der verdutzte Störer zu der Erkenntnis, daß die Bordwespe nicht nur auf dem Bugspriet saß, sondern daß es sie tatsächlich gibt. Wahrscheinlich saß sie deswegen da drauf, meinte er, weil die Masten und Spieren meiner Schebekke so was wie gelblich eingelassen sind und sich die Wespe von der eigenen ähnlichen Farbe habe animieren oder beirren lassen.
Aber wer weiß wohl schon das so genau. Und genaueres über die Lebensgewohnheiten von Wespen, außer daß sie einen ab und zu mal stechen, wußte auch niemand Genaueres in der Runde. Nur eines stimmt: es war so richtig schönes Sonntagsnachmittagswespensegelwetter.
Noch zu bemerken vielleicht: ein Schifflesfahrer war so fasziniert und abgelenkt von dem was er so sah, daß er mit seinem Modell im Gebüsch landete, während zwei andere es miteinander (oder gegeneinander?) versuchten; aber ohne allzu große Aufregung, so richtig lässig gelassen, wie das eben an solch einem Sonntagnachmittag sich gehört.
Alle die da am Steg standen und saßen waren sich einig: wenn man jemandem diese Geschichte erzählen würde - echtes Seglerlatein. Ich dagegen meine der Größe meiner Bordwespe nach - nur Modellseglerlatein.
minisail ahoi
Peter Schuster