484/485/486/504/509/513/516/528 - Abgeschickt von [Harald Wieber] am 10 Juni, 03 um 09:14:05
Hallo Modellbauer, Ich beabsichtige eine Wibo 930, auf der Grundlage von original Plänen, nachzubauen. Ich hatte an einen Maßstab von 1:6 gedacht. Bei diesem Maßstab würde das Schiff eine Länge von ca. 1,40 - 1,55 Meter erhalten. Eine Umrechnung der Maße aus dem Plan ist kein Problem. Nur wie rechnet man den entsprechenden Ballastanteil aus? Den originalen Anteil von 2,6 Tonnen im Maßstab 1:6 verkleinern ist irgendwie nicht das wahre.
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Borek Dvořák] am 11 Juni, 03 um 14:48:38
Hallo Harald, das ist ein sehr komplexes Problem bzw. eine Reihe von Problemen. Vor einigen Jahren habe ich dazu einen recht langen Artikel für die ModellWerft geschrieben, den ich Dir auf Wunsch ggf. zumailen kann. An dieser Stelle nur das Grundsätzliche: In der Tat geht es um die Krängungsstabilität eines Segelbootes. Ein stabiler Zustand tritt dann ein, wenn das krängende Moment (vom Winddruck in den Segeln) von dem aufrichtenden Moment (vom Ballast + von der Form des Schiffsrumpfes) genau ausgeglichen ist. Das Ganze bestimmt man für eine gewählte Windstärke (Winddruck) und eine gewählte Krängung. Üblich ist, daß man von der Windstärke von 4 Bft (entspricht dem Druck von ca. 2,5 kg/m2) und einer zulässigen Krängung von 30° ausgeht. Diese Belastung (=krängendes Moment) muß also durch die Rumpfform und durch den Ballast (=aufrichtendes Moment) ausgeglichen werden.
Die Vorgehensweise: 1)Die Segelfläche und ihren Schwerpunkt (den Segeldruckpunkt) bestimmen (die Anleitung dazu ist hier irgendwo auf der HP). 2)Die Verdrängung (z.B. mit der Trapezregel) und den Verdrängungsschwerpunkt bestimmen (Verdrängungskurve). Dafür muß man die Unterwasser-Spantflächen bestimmen (z.B. mit einer darüber gelegten Transparentfolie mit aufgezeichnetem Quadratraster, die Quadrate innerhalb des Spants werden ausgezählt). Die Verdrängungskurve erhält man so: eine Gerade zeichnen, die CWL-Länge und die Positionen der Spanten (=die Spantabstände) im beliebigen Maßstab darauf markieren, und die dazugehörigen Spantflächen als Strecken rechtwinklig zur CWL auftragen. Die Enden der Strecken markieren die Verdrängungskurve. Der Verdrängungsschwerpunkt ist mit dem Schwerpunkt der Fläche identisch, die zwischen der Verdr.-Kurve und der CWL liegt. Der Ballast-Schwerpunkt sollte auf einer gemeinsamen Senkrechten mit dem Verdrängungsschwerpunkt liegen. 3)Aus der nun bekannten Verdrängung wird das Ballastgewicht abgeleitet. Faustregel: der Ballastanteil soll mindestens 60% der Verdrängung betragen, besser mehr. Beispiel: ein Modell in Holzbauweise soll bei einer Rumpflänge von 1300 mm 12kg verdrängen. Die Einzelgewichte sind (geschätzt): Rumpf 1,5 kg, Technik (Segelverstellung, Ruderanlenkung, Akkus, ...) 1 kg, Deck + Aufbauten 0,5 kg, Rigg 0,5 kg, Reserve für Baufehler 0,5 kg – gesamt 4 kg. Für den Ballast bleiben also 8 kg übrig, das sind 66,7% der Verdrängung – alles OK. 4)Um die Formstabilität des Schiffsrumpfes zu berücksichtigen, wird das o.a. Gleichgewicht zum Metazentrum (M. kann man sich als eine Art vom Nullpunkt eines Schiffes vorstellen) berechnet. Das Metazentrum liegt auf einer gemeinsamen Senkrechten mit dem Verdrängungsschwerpunkt, man findet es graphisch wie folgt: in der Zeichnung desjenigen Spantes, der am nächsten zum V.-Schwerpunkt liegt zeichnet man an einer beliebigen Stelle eine Gerade im Winkel von 30° zur CWL. An dieser Geraden richtet man die bereits bekannte Folie (Bestimmung der Spantflächen) aus. Jetzt zählt man so lange vom Kiel aus beginnend die Quadrate innerhalb des Spants aus, bis man auf die bereits bekannte Anzahl kommt. Z.B. mit einer Stecknadel markiert man entsprechend der ermittelten Fläche ihre Oberkante als die 30°-Wasserlinie und man bestimmt den Schwerpunkt dieser Fläche. Von diesem Schwerpunkt fällt man nun Lot zu der 30°-WL. Dort, wo diese Linie die Mittschiffsachse schneidet, befindet sich das Metazentrum. 5)Jetzt kann gerechnet werden: [(Ballastgewicht) mal (0,5) mal (Entfernung des B.-Schwerpunkts vom Metazentrum)] dividiert durch [(Segelfläche) mal (0,75) mal (Entfernung des Segeldruckpunkts vom Metazentrum)] Dies ergibt den Winddruck, bei dem das von der Formel beschriebene Gleichgewicht eintritt. Da wir uns 4 Bft (entspr. 2,5 kg/m2) ins Pflichtenheft gesetzt haben, muß die errechnete Stabilität auch mindestens 2,5kg/m2 betragen (2,4 kg/m2 geht gerade noch). Man muß aufpassen, daß die Einheiten stimmen: Gewicht in [kg], Segelfläche in [m2], die Entfernungen in [m]. Die Koefizienten 0,5 und 0,75 kommen von den Winkelfunktionen des Krängungswinkels bzw. des Anstellwinkels der Segel beim halben Wind. Falls die Berechnung eine unzureichende Stabilität ergeben sollte, hat man folgende Korrekturmöglichkeiten: - Ballast tiefer legen bzw. Streckung des Rumpfes in der senkrechten Richtung (die Entfernung des Ballastschwerpunkts von M. wird größer und somit auch das aufrichtende Moment) - Segelfläche verkleinern und/oder den Druckpunkt tiefer setzen und dadurch das krängende Moment verringern (aus optischen Gründen nicht empfehlenswert, es sei denn, man versteht es als einen Anlaß, eine Reffmöglichkeit vorzusehen) - Metazentrum nach oben verschieben durch eine Streckung des Rumpfes querschiffs (das ist die effektivste Variante, eine Streckung bis zu ca. 15 % stört die Optik überhaupt nicht) - Ballastanteil erhöhen (bei jeder Streckung wird die Verdrängung automatisch größer, die „Baugewichte“ bleiben jedoch ca. die Gleichen, für den Ballast bleibt also mehr übrig). Nach der jeweiligen Korrektur sollte man neu rechnen und – falls das Ergebnis noch nicht zufriedenstellend ist – das Ganze so lange wiederholen, bis eine akzeptable Krängungsstabilität erreicht wird. Die beschriebene Prozedur sieht wesentlich komplizierter aus, als sie bei einer praktischen Umsetzung wirklich ist. Mit etwas Übung kommt man bereits nach ca. 2 Stunden zu einem brauchbaren Ergebnis – das ist doch (gemessen an Hunderten oder sogar Tausenden von Baustunden) ein sehr kleiner Preis für die spätere Betriebssicherheit des Modells. Man kann sich natürlich auch auf eine Einschätzung verlassen, doch dann kann man sich auch verschätzen – mit allen Konsequenzen. Außerdem macht es (mir zumindest) einfach Spaß, das Modell nach einer so kurzen Zeit virtuell segeln „gesehen“ zu haben, man kann sogar das Verhalten im Wellengang abschätzen! Also: Rechnen statt Kentern!
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Harald Wieber] am 12 Juni, 03 um 17:04:12
Hallo Borek, Ich habe auf der HP der Schweizer MINISAIL (www.minisail.ch) einen Artikel von Franz Amonn gefunden. Dieser Artikel befaßt sich genau mit diesem Thema. Es befinden sich dort alle Formeln und Erklärungen anhand von Bildern.
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Borek Dvořák] am 13 Juni, 03 um 09:55:58
Hallo Harald, ich kenne den Artikel, habe leider nicht daran gedacht. Die Problematik ist dort recht gut erklärt. Nur mit einem Punkt bin ich nicht einverstanden: mit der "spezifischen Segelfläche". Das kann so in einigen Einzelfällen stimmen, im Allgemeinen aber nicht. Die spez. Segelfläche vergleicht das Gewicht des Bootes mit dem Winddruck, also nur die wirkenden KRÄFTE. In Wirklichkeit sind diese Kräfte zwar vorhanden, auf ein Segelboot wirken jedoch MOMENTE dieser Kräfte - ein gewaltiger Unterschied! Der Artikel (übrigens mein alter Beitrag in der ModellWerft auch) befaßt sich nur mit der Ballaststabiltät, tatsächlich ist aber auch noch die Formstabilität mehr oder weniger vorhanden. Dies bedeutet keine Gefahr für das Modell, denn die Stabilität wird dadurch nur "schlechter gerechnet", sie ist dann nur übertrieben groß. Um eine solche Stabilität im Modell umsetzen zu können, ist man zu umfangreicheren Modifizierungen gezwungen, als es mit Berücksichtigung der unterstützenden Wirkung der Formstabilität der Fall wäre. Es wird z.B. ein Zusatzkiel vorgesehen, der gar nicht hätte sein müssen. Es ist jedoch keine nennenswerte Mehrarbeit, in der Berechnung auch die Formstabilität zu berücksichtigen. Man rechnet dasselbe Gleichgewicht nicht zur CWL, sondern zum Metazentrum, das ist alles.
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Harald Wieber] am 13 Juni, 03 um 14:57:33
Hallo Borek vielen Dank für deine Antwort. Den von dir erwähnten Artikel über den Segeldruckpunkt habe ich leider nicht gefunden. Kannst du mir vielleicht deinen Artikel aus der Modellwerft zu senden? E-Mail : SHWN@gmx.net
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Borek Dvořák] am 13 Juni, 03 um 19:37:32
Hallo Harald, Du findest es unter "Modellbau" und dort unter "Baupraxis", heißt "Graphische Schwerpunktbestimmung". Bezüglich des Artikels aus der MW bitte ich um ein wenig Zeit, ich muß erst die ganzen Bilder zusammensuchen und einscannen. Von Franz Amonns Beitrag unterscheidet es sich aber kaum - die physikalischen Gesetze gelten für jedermann und erzwingen eigentlich nur eine Vorgehensweise.
484/485/486/504/509/513/516/528 - Re: Ballast Berechnung Abgeschickt von [Harald Wieber] am 16 Juni, 03 um 10:15:24
Hallo Borek, Vielen Dank für deine Mühe. Du brauchst dir aber nicht die Arbeit zu machen, alle Bilder einzuscannen. Ich war der Meinung, das du den Bericht aus der MW als pdf auf deinem Rechner hast. Ich denke das ich mit den ganzen Informationen, die ich habe, nun klar komme. Auf jedenfall meinen herzlich Dank an deine Hilfe. Ich hoffe das ich dann in der nächsten zeit einen Bericht über meinen Bau hier auf der HP veröffentlichen kann.