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Dieses Thema hat 4 Antworten
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 Theoretisches
minisail-webmaster Offline



Beiträge: 1.008

09.06.2014 11:48
Mathematik der Verkleinerung Antworten

911/914/915/934/941 - Abgeschickt von [Thomas Schmid] am 01 Juni, 2004 um 13:05:08

Hallo,
mal eine Kopfnuß für diejenigen, die sich mit den Elementen des Sport auch in den Grundlagen auskennen.
Um ein weiteres Spektrum an Antworten zu bekommen, habe ich diese Frage auch unter folgender URL eingestellt, hoffe aber auf Antworten hier, da man sich hier nicht erst anmelden muß.
http://www.rclineforum.de/forum/board.php?boardid=56
Die Frage mit der Auswirkung von Verkleinerungen ist doch immer wieder interessant, daher mal ein anderes Thema als Optik und Geschwindigkeit im Maßstab. Ich möchte in dieser These mal die Geschwindigkeit eines Rumpfes nicht diskutieren, obwohl diese auch mit Profilwirkungen zusammen hängt. Vielmehr geht es sich vorrangig um Krängung, Gewichte und Kräfte im und am Boot.
Die Fragestellungen ergeben sich aus der Diskrepanz zwischen theoretischen Ansätzen und praktischen Erfahrungen, welche aber allesamt auf der Physik beruhen und folglich kalkulierbar sein müßten, zumindest in groben Zügen.
theoretische These der Grundlagenfrage:
Ein angenommener Maßstab beträgt 1:10
Folglich verringert sich das Volumen und daraus resultierend Auftrieb, Masse und Gewicht des Bootes um den Faktor 1000. Anders bei den Segeln, da es sich um eine Fläche handelt (zum Profil noch später) verringert sich die Segelfläche um den Faktor 100. Bei konstantem Wind im Vergleich, verringert sich also die vom Wind ausgeübte Kraft mit selbigem Faktor.
Aussage resultierend daraus, mal mit Humor gesehen:
Es ergibt sich, daß ein Boot maßstäbliches Auftreten von Kräften zeigt, wenn die Segelfläche um den Faktor 10 verkleinert wird. Klingt doch logisch, auch wenn´s eben de facto nicht so ist, oder doch?
Methoden:
Nun setzen einige Modellbauer Zusatzkiele unter ihre Boote, um den Schwerpunkt nach unten zu verlegen, bzw. um die Kraft auf den Hebel zwischen Mast, Auftriebsdrehpunkt also Schwerpunkt der verdrängten Masse und dem Kiel zu verändern.
Wieder andere schaffen es diese Kräfte durch Leichtbauweise und höheres Gewicht im Kiel zu erreichen.
Rückschluß:
Ich möchte aber jetzt einfach mal unterstellen, daß auf diese Art keine 10fache Aufrichtungskraft durch Hebelwirkung zustande kommt. Nehmen wir die Hausnummer mal den Faktor 5, so würde das im Rückschluß unterstellen, daß die Kräfte die auf das Segel wirken, sich also zumindest nicht maßstäblich verringern.
Ob Linear oder in einer Kurve sei dahingestellt.
Fragestellung 1:
Sicherlich, gibt es Modellbauer mit Erfahrung die das mit Gefühl erreichen, andere richten sich nach der Praxis und bauen nach, oder verwenden Bausätze.
Gibt es zu diesem Thema Faustformeln, oder muß man dazu Schiffbau studieren um diese Wirkung grob berechnen zu können?
Fragestellung 2:
Nun ist das aber auch nur ein Faktor, was passiert, wenn ein entgegengesetzter Strömungsfaktor ins Spiel kommt?
Die Strömung im Wasser, betrachten wir nun mal nicht aus Sicht des eigentlichen Rumpfes, sondern der Kieltechnik, wobei ich keine Laudatio an den Twinkiel halten möchte.
Als Beispiel hier mal der asymmetrische Twinkiel. Nicht nur das er beim Transport oder als Bootsständer gute Dienste tut, er kann mehr. Asymmetrisch in Bezug auf die eigene Achse bildet er ein Profil. Schräg unter dem Rumpf, erzeugt er bei Fahrt zum einen Auftrieb, der die Beschleunigung des Rumpfes, bzw. das aufschwimmen zum Gleitzustand erleichtert.
Zweite Wirkung ist eine Verengung und somit Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit zwischen den Kielen, was eine Kursstabilität ähnlich der eines Langkielers bringt. Dies wird in Praxisberichten belegt, wonach selbes Boot mit anderem Kiel mit mehr Krängung nicht so hoch am Wind laufen kann und dabei schwerer auf Kurs zu halten ist. Parallel dazu wird durch diese Strömung die Wirkung des Ruders am Ende des Stroms verstärkt. Kommt Krängung hinzu, so bildet der Kiel auf Lee in dem tieferen turbolenzfreien Wasser einen Kraft nach Luv während sich die gegenläufige Kraft des Kiels auf Luv verringert, da er in turbulenzreiches Wasser kommt.
Bei stärkerer Krängung, verstärkt sich dieser Effekt auf Lee, während der Kiel auf Luv seine Wirkung umkehrt, er liegt nun horizontal im Querschnitt zur Richtung und das Profil steht nun in der Strömung der Rumpfwelle. Richtig ausgelegt, wirkt das Profil nun in der gewölbten Rumpfwelle genau entgegengesetzt und bildet so auch eine aufrichtende Wirkung. Somit stellt sich aber hier die Frage nach der Wirkung von verkleinerten Profilen im gegenläufigen Kräftespiel. Sollte es daran liegen, daß im gesamten Internet, sich nichts über Modelle mit dieser faszinierenden Technik findet?
Also mich reizt das Thema, auch als blutiger Anfänger im Segeln und sei es nur um ein Unikat auf dem Wasser zu haben ;-)
Ich hoffe auf eine angeregte Diskussion ;-)

Thomas

minisail-webmaster Offline



Beiträge: 1.008

09.06.2014 11:55
#2 RE: Mathematik der Verkleinerung Antworten

911/914/915/934/941 - Mathematik der Verkleinerung
Abgeschickt von [Borek Dvořák] am 03 Juni, 2004 um 07:57:02

Hallo Thomas,
zu 1):
Bei einer Verkleinerung 1:10 verringert sich zwar in der Tat die Segelfläche 100 mal (und somit auch das krängende Moment beim konstanten Wind), allerdings wird das Volumen (die Verdrängung) des Rumpfes 1000 mal kleiner. Dadurch wird auch das aufrichtende Moment 1000 kleiner. Ein Modell ist also bezogen auf sein Vorbild stets ranker, und das zwar um den Faktor des Maßstabs.
Das aufrichtende Moment resultiert aus einem Kräftepaar: der Auftriebskraft des eingetauchten Rumpfes (das ist die sog. Formstabilität) und dem Ballastgewicht (eigentlich dem Gesamtgewicht des Schiffes, man kann aber vereinfacht nur mit dem Ballastgewicht rechnen). Bei einem aufrecht schwimmenden Bootskörper liegen diese Kräfte auf einer Vertikale, wirken gegeneinander, und heben sich gegenseitig auf. Sobald das Boot krängt, verlagert sich der Gewichtsschwerpunkt nach Luv und der Auftriebsschwerpunkt nach Lee - dadurch entsteht das aufrichtende Moment. Um das Momentgleichgewicht zu berechnen (und somit das Modell richtig zu dimensionieren), muß man nicht nur die Größen der wirkenden Kräfte kennen, sondern auch ihre Hebelarme (wir haben ja mit Momenten zu tun) zu einem bestimmten Punkt, zu dem man das Gleichgewicht berechnet. Dieser Punkt ist das Metazentrum des Schiffes. Das Metazentrum erhält man, wenn man den Hauptspant (= denjenigen Rumpfquerschnitt, in dem der Verdrängungsschwerpunkt liegt) zeichnerisch um einen gewählten Winkel (üblicher Weise 30°) krängt, die zuvor in aufrechter Schwimmlage bestimmte eingetauchte Spantfläche auf die Schräglage überträgt und den Schwerpunkt dieser Fläche bestimmt. Fällt man jetzt Lot durch den Flächenschwerpunkt, schneidet es die geneigte Schiffsachse in einem Punkt - das ist das Metazentrum. Jetzt ist es sehr einfach, den Segeldruckpunkt und den Ballastschwerpunkt zu bestimmen, ihre Entfernungen vom Metazentrum auszumessen und das Momentgleichgewicht (=die Krängungsstabilität) zu berechnen.
Wie Du siehst, muß man dafür kein Schiffbau studieren, es ist nur eine simple Rechenaufgabe aus der Mechanik, begleitet von Archimedes.
zu 2):
Zum Twinkiel kann ich nicht viel sagen, weil ich mich mit der Problematik noch nicht befaßt habe. Man müßte die Krängungsstabilität an einem konkreten Beispiel wie oben beschrieben berechnen. Ob sich die von Dir geschilderten strömungstechnischen Vorteile des Twinkiels im Modell bemerkbar machen, daran zweifle ich stark. Bezogen aufs Modell ist das Wasser wesentlich zähflüssiger als beim Vorbild, und die von Modellen erreichten Geschwindigkeiten gegenüber den Vorbildern grundsätzlich gering. Folglich bewegt man sich in einem ganz anderen Re-Zahlenbereich, wo andere Gesetzmäßigkeiten gelten. Es ist ein daher ein Trugschluß, wenn man vom Modell die Eigenschaften des Vorbilds erwartet - ein von vielen Modellbauern oft gemachter Fehler. Gleichwohl ist es ein Fehler, eine spiegelglatte Oberfläche der Segel anzustreben. Unsere fliegenden Modellbaukollegen haben die Vorteile der Mikroturbulenz längst erkannt, und setzen rauhe Bespannmaterialien und ggf. auch Turbulatoren ein. Wir sollten generell mehr und öfter "über den Zaun" zu den Modellfliegern hinschauen. Segelschiffe sind schließlich von ihrem Grundprinzip her nichts anderes als Flugzeuge, nur ein wenig komplizierter.

Viele Grüße
Borek Dvořák

minisail-webmaster Offline



Beiträge: 1.008

09.06.2014 11:56
#3 RE: Mathematik der Verkleinerung Antworten

911/914/915/934/941 - Mathematik der Verkleinerung
Abgeschickt von [Thomas Schmid] am 03 Juni, 2004 um 10:43:20

Hallo Borek,
eigentlich war diese Berechnung auch in meinen Augen richtig, aber da ich derzeit "noch" keinen Segler hier habe, konnte ich mir nicht vorstellen nur über die Gewichtsverteilung den Faktor 10 auszugleichen, dabei spielt aber die folgende Diskrepanz unsere Rechenansätze eine entscheidende Rolle.
Fragen wirft in meinem Verständnis nämlich noch das Metazentrum auf, ich hätte mir den Flächenschwerpunkt des Schnittes als Hebeldrehpunkt vorgestellt, an dem dann bei Krängung die Kräfte über winklig Hebelarme wirken.
Dieser verschiebt sich durch Krängung ja nur relativ gering auf der Segelachse, während der Metapunkt zu einer erheblich höheren Verschiebung führt.
Nimmt man aber wie du schreibst so das Metazentrum ab, ergibt sich natürlich ein weit längerer Hebel für die Ballastmasse.
Warum aber der Hebeldrehpunkt sich so im Grunde über den Auftriebschwerpunkt erhebt, ist mir noch nicht verständlich.
Wenn man ein Brett mit einem Knick nach unten als Hebel verwendet (gewinkelte Wippe), so ist doch der Hebeldrehpunkt der festliegende Punkt bei einer Wippe also der Knick.
Wieso rechnet man erst den Schnitt der lotrechten durch diesen Punkt mit einer gerade durch die Lastpunkte als Drehpunkt.
Bezogen auf die gewinkelte Wippe würde das zu einem im Wippen ständig wechselnden Drehpunkt führen.
Diese Stelle ist mir noch unklar.
Mal sehen ob ich da noch was finde, ist ne Zeit her, daß ich in der Schule Hebelgesetze hatte.
Allerdings haben es Twinkiele nach deiner Berechnung schon erheblich leichter, bei meiner Variante heben sich Massen der beiden Kiele zum Teil auf, so daß natürlich das Strömungsverhalten erheblich mehr bringen müßte.
Durch den weiter entfernt liegenden Hebeldrehpunkt verändert sich natürlich das Verhältnis der sich aufhebenden Kräfte erheblich.
So ist dann die Profilwirkung der Kiele nicht mehr so stark benötigt.
Die Hoffnung an die Pläne eines der bewährten ASY-Twinkieler zu kommen, sind jedoch erheblich geschrumpft. Es handelt sich dabei um eine Selbstbau-Typyacht (Reinke 13 M). Der Konstrukteur verkauft den Plan mit Lizenzen und Zertifikaten für vergleichbar kleines Geld (1950 Euro), macht aber für ein Modell keine Ausnahme, so daß die volle Summe fällig wäre ;-(
Mal sehen ob ich vielleicht über einen der Eigner noch eine Chance habe.
Werde nun erstmal meinem jüngsten beim Bau einer Dulcibella nach den Plänen von Uwe Kreckel helfen und derweil mein eigenes Projekt in Ruhe suchen.

Grüße
Thomas

minisail-webmaster Offline



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09.06.2014 11:57
#4 RE: Mathematik der Verkleinerung Antworten

911/914/915/934/941 - Mathematik der Verkleinerung
Abgeschickt von [Martin Becker] am 10 Juni, 2004 um 10:26:04

Hallo, Ihr Rechenkünstler!
Ich habe mich für das Buch "Historische Segler ferngesteuert" intensiv mir der Frage der Verkleinerungsmathematik beschäftigt. Die Betrachtung der Verdrängung und der Segelfläche hilft zwar als Grundbetrachtung weiter, aber es ist mir nicht gelungen eine einfache Kennzahl abzuleiten, obwohl ich ca. 25 verschiedene Schiffe vermessen habe.
Da gibt es nämlich zum einen das Problem, daß die Moleküle von Wind und Wasser sich nicht um unseren Modellmaßstab scheren, die bleiben 1:1, was auch den Modellbauern für Prototypen von "echten" Flugzeugen und Schiffen ganz schön zu schaffen macht. Wenn es mit der Berechnung sooo weit her wäre: warum werden weiterhin Millionen für Wind- und Strömungskanäle ausgegeben? Unterstützend für die "These bei M 1/10 ist in Wirklichkeit nur eine Veränderung der Rankheit von 1/5 spürbar" kann aus der niedrigeren Strömungsgeschwindigkeit in unmittelbarer Bodennähe (Haftbedingung an Oberflächen) abgeleitet werden. Die Strömungseffekte unter Berücksichtigung der Takelage, des Maßstabes etc. zu berechnen übersteigt meine Fähigkeiten (und ich habe das studiert; für den Modellbau hört´s hier auf: dazu wäre eine wirklich gute Software nötig...).
Dann wäre noch die Sache mit dem Metazentrum. DAS kann ich rechnen (formelmäßig), nur: wo liegt denn der Schwerpunkt. Z.T. läßt sich der bei fertigen Modellen nicht genau feststellen, wenn die Rumpfform ungünstig ist. Wer mir erzählt, ein Einsteiger könne anhand eines Planes voraussagen, wo der Schwerpunkt liegen wird, dem glaube wer will.
FAZIT: Außer einer empirischen Annährung über Verdrängung und Segelfläche als Grundkennzahl, die ich in o.g. Buch (erhältlich bei Amazon oder über vth) in ihrer Wechselwirkung mit Rumpfform, Takelage etc. in einem Diagramm darstelle, sehe ich keine sinnvolle Vorgehensweise.

Martin

minisail-webmaster Offline



Beiträge: 1.008

09.06.2014 11:58
#5 RE: Mathematik der Verkleinerung Antworten

911/914/915/934/941 - Mathematik der Verkleinerung
Abgeschickt von [Thomas Schmid] am 13 Juni, 2004 um 13:08:18

Hallo Martin,
vielen Dank für die ausführliche Darstellung.
In einem anderen Forum (http://www.rclineforum.de/forum/board.php?boardid=56), habe ich bei gleichem Thread auch sehr ausführliche Berechnungsgrundlagen gefunden.
Als Fazit für mich ergibt sich für mich daraus folgendes:
Die Suche nach relativ einfachen Konstanten ist fehlgeschlagen, aber den Versuch war´s doch Wert denn ich konnte einiges lernen.
Vielleicht konnte ja der eine oder andere Modellbauer hier ebenso was neues erfahren, nicht nur ich.
Aber:
Die Katze läßt das Mausen nicht.
So ergeht es auch mir, ich war immer ein Grenzgänger der neue Wege gehen mußte und werde es wohl bleiben.
Andere haben Ihren Spaß (den ich als bewundernswerte Leistung erachte) darin absolute Meisterwerke an Maßstäblichkeit zu fertigen, ich zähle eben zu den Zockern mit den Möglichkeiten.
Mal sehen wohin das alles führt.

Grüße
Thomas

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